Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

1.1 Zur Person

1.2 Zur Sache

2. „illegale“ Drogen

2.1 Allgemeine Anmerkungen

2.2 Opiate

2.2.1 Substanzbeschreibung

2.3 Stimulantien

2.3.1 Cocain

2.3.1.1 Wirkungscharakter und Stoffwechsel

2.3.2 Sonderform „Crack“

2.3.3 Politoxikomaner Gebrauch von Heroin und Cocain

2.3.4 „Speed“/Ecstasy

2.3.4.1 Wirkstoffbeschreibung

3. Der „Beigebrauch“

3.1 „Pillen“

3.1.1 Benzodiazepine

3.1.1.1 Substanzbeschreibung

3.1.2 Polytoxikomaner Gebrauch von Tranqilizern

3.1.3 Barbiturate

4. Polytoxikomanie

4.1 Eine statistische Stichprobe

4.2 Eine Interpretation

5. Begleiterkrankungen/Begleitende psychische Auffäligkeiten

5.1 Deliquentes Verhalten und Sucht

5.2 Psychische Störungen und Drogengebrauch

5.3 HIV/AIDS

5.3.1 Definition der HIV-Infektion/ AIDS-Erkrankung

5.4 Hepatitis ( C ) -eine unterschätzte Gefahr

5.4.1 Hepatitis A

5.4.2 Hepatitis B/D

5.4.3 Hepatitis C

5.5 Abzeße -ein alltägliches Problem

6. Substituate

6.1 Methadon/L-Polamidon

6.1.1 Substanzbeschreibung


1. Einleitung

1.1 Zur Person

Ich arbeite seit nunmehr über einem Jahrzehnt als Krankenpfleger in verschiedenen Einrichtungen auf Entgiftungsstationen für Abhängigkeitserkrankungen. Seit der Gründung der Station für qualifizierte Drogenentgiftung in den Rheinischen Kliniken Düsseldorf (im Script

Dieses Script (ursprünglich ein Begleittext zu einem Referat im Fach Psychologie im Rahmen des Studiums der Sozialarbeit) dient nunmehr auch zur Information bzw. Einarbeitung neuer Mitarbeiter des Pflegedienstes auf dieser Station.

auch als Station 13 E benannt) im Jahre 1994 bin ich auf dieser als Krankenpfleger beschäftigt. Von daher ist nicht auszuschließen, das es im Script zuweilen sehr medizinisch zugeht, wobei ich mich bemüht habe, dieses auf ein niedrigmöglichstes Maß zu reduzieren. Andererseits habe ich über die Patienten der Station doch Einblick in die derzeitige Drogenszene nehmen können. Diese Erfahrungen werden einen wesentlichen Teil des Scriptes ausmachen.

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1.2 Zur Sache

Dem Konsum illegaler Drogen kommt bis heute die Funktion eines „Fazinosums“ zu, die User sind bis heute Außenseiter unserer Gesellschaft, sozusagen „Outlaws“. Andererseits ist die Welt der Szene für Außenstehende höchst fremdartig und befremdlich. Zuweilen werden wir mit einem vojeuristischen Blick gelockt (-> Filme/Bücher wie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ oder „Trainspoting“), letztendlich bleibt uns aber die Erlebniswelt weiterhin verschlossen. Junkis könnten genausogut Marsianer sein, welche die Innenstädte bevölkern, und uns nur durch ihre Bettel-Attacken auffallen. In der Literatur hingegen wird die Historie der Drogenbewegung als Folge des gesellschaftlichen Aufbruches der siebziger Jahre beschrieben (->Hippie-Bewegung). Von mir wird angezweifelt, das diese Beschreibungen auch zu dieser Zeit zutreffend waren, zumal schon damals die meisten Amerikaner ihren ersten Kontakt zu sogenannten harten Drogen als Angehörige der US-Militärstreitkräfte in Vietnam erlebt haben dürften. Seitdem sind Drogen ein substantielles Element zur Beschreibung amerikanischer Slums. In Deutschland ist meiner Meinung nach eine ähnliche Entwicklung zu beobachten. Zwar gibt es hier keine ausgesprochenen Slums, die hiesige Formulierung heißt dafür beschönigend „sozialer Brennpunkt“. Die dort befindlichen Jugendlichen sind aber, wie auch in USA, von vornerein von den gesellschaftlichen Möglichkeiten ausgeschlossen und damit potentielle Opfer der sinngebenden „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ des illegalen Drogenmarktes. Dies dürfte vielleicht aber wenigstens einen (von vielen) Faktoren für Drogensucht erklären. Dazu kommen natürlich auch psychologische ( im Sinne von individuellen) Faktoren, immerhin verlassen als Beispiel und entgegen aller Erwartung 70% der Jugendlichen die Bronx (New York City), ohne in irgeneiner Weise auffälig zu sein. Andererseits sind auffälige Unterschiede im Konsummuster amerikanischer und deutscher Drogenabhängiger zu beobachten, woraus sich auch für die Zukunft gültige wesentliche Aussagen treffen lassen. In den USA scheint zum Beispiel der Gebrauch von „Crack“ dominierend zu sein, die spezifische Bedrohung durch die Wirkung der Droge (massiert durch die Anzahl der Süchtigen) bestimmt die amerikanische Reaktion der politischen Antwort (-> Drug-War). In Vergleich dazu erscheint die deutsche Antwort auf das Drogenproblem eher indifferent zu sein.Aufgabe des Referates wird es zu sein, die gegenwärtige Situation der Zusammensetzung der Szene zu beschreiben sowie eine Projektion in die nährere Zukunft aufzuzeigen. Dazu werden folgende Hypothesen erstellt:

a) Gegenwärtige Situation

Die Mehrheit der User illegaler Droger rekrutiert sich aus sozialen Unterschichten, wohnhaft z.B. in sozialen Brennpunkten, und setzt ihren gesellschaftlich eher pessimistischen Zukunftausssichten eine Antwort in Form von „abwehrerender Sucht“ entgegen, welche ihrem Leben Sinn gibt und über die sie sich definieren können. Dazu gehört ein früher Einstieg in Drogengebrauch und eine Phase des wechselnden Drogengebrauches, bis sich das individuelle (polytoxikomane) Gebrauchsmuster etabliert.

b) Zukünftige Situation

Exctasy stellt die in jüngerer Vergangenheit erste Droge ohne „Drogen(-schuld)- bewußtsein“ in der BRD dar, da diese Substanz erst nach ihrer allgemeinen Verbreitung unter das BtmG gestellt und entsprechend negativ propagiert wurde. Da sie primär leistungssteigernde Wirkung zeigt, wurde sie von der Zielgruppe eher (wenn überhaupt hinterfragt) im Sinn eines Medikamentenmißbrauches gesehen. Ein Unrechtsbewußtsein im Sinne einer Benutzung von Drogen als gesellschaftlich inakzeptabelen Verhaltens wurde nicht entwickelt. Nunmehr wird versucht, den Usern von Exctasy der Gebrauch von Heroin als „Downer“ (das heißt als Mittel zur Regulierung des Exctasy-Überhanges/-Entzuges) schmackhaft zu machen. Dies ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch möglich, da Heroin sowohl der Überaktivität des Exctasyrausches seine beruhigende Wirkung als auch der depressiven Stimmungslage nach abklingen der Exctasy-Wirkung seine (anfänglich) euphorisierende Wirkung entgegensetzen kann.

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2. „illegale“ Drogen

2.1 Allgemeine Anmerkungen

Den hier besprochenen Drogen ist gemeinsam, das sie nach sehr kurzer Zeit eine massive Abhängigkeit auslösen (ca. 3-6 Monate bei einigermaßen regelmäßigen Konsum). Den Drogenbenutzern ist dieser Aspekt anfänglich nicht unbedigt klar, dafür später um so mehr. Eine der Ursachen dafür liegt darin, daß, wenn der Konsument eine vorherige Aufklärung erfahren hat, er davon ausgeht, sofort und unmittelbar abhängig zu werden. Daraufhin wundert er sich, das nach dem ersten bis x-tem Konsum nichts passiert und konstruiert für sich folglich, das ihm schon nichts „passieren“ wird. Dies ist natürlich eine willkommende Rechtfertigung für ihn, nun weiterzumachen. Die Unspezifität des allsbald einsetzenden Entzugssymptom, (hier: Heroin) läßt ihn auch erst nicht seine nunmehr einsetzende Abhängigkeit erkennen. Vielmehr denkt er noch daran, sich eine Grippe eingefangen zu haben. Aufklärung findet er häufig erst bei seinem Dealer.Dieser (anders als bei Alkoholikern) doch recht schnelle Verlauf der Entwicklung einer körperlichen Abhängigkeit führt dazu, das die Betroffenen keine Zeit haben, in ihre Sucht „hineinzuwachsen“. Stattdessen müssen sie sich möglichst schnell und effetiv an die neue Situation anpassen. Das hat zur Folge, das sie nicht versuchen, ihre (meist schon vorher nicht tragfähigen) nicht suchtbezogenen sozialen Beziehungen langsam an ihre Sucht anzupassen (Ko-abhängigkeiten zu erzeugen), sondern das sie diese abrechen und in ihrer Szene statt dessen neue und auf die Sucht zentrierte Beziehungen knüpfen. Dies bedeutet die Unterwerfung unter den dort herschenden Marktmechanismen und verbrämung derselben als spezifischer Kodex.Von aussen betrachtet tauchen die Betroffenen regelrecht in die Szene ab. Hingegen werden „unumgängliche“ alte Beziehungen (Eltern/Verwandte/Partner) nur noch auf ihren „Marktwert/Nutzenwert“ von/für den Abhängigen reduziert. Dies kann z.B. bedeuten, das der Abhängige den Vorteil der Übernachtungsmöglichkeit durchaus zu schätzen weiß, ebenso aber diese Möglichkeit ausplündert, um sich finanzielle Vorteile zu verschaffen.Während früher eine Fixierung auf ein typisches Konsummuster auch bei den sogenannten illegalen Drogen zu beobachten war und folglich auch beschrieben wurde, ist heutzutage der sogenannte polytoxikomane Gebrauch vorherrschend. Das heißt, daß beliebige Drogen annähernd beliebig konsumiert werden. In Folge dessen werden die beschriebenen Abhängigkeiten dargestellt als Präferenzen zu einzelnen Drogen. Ein anderes Verfahren ist inzwischen meiner Meinung nach kaum mehr möglich. Polytoxikomaner Gebrauch von Drogen ist heutzutage allgemein üblich. Dies zeigt sich zum Beispiel anhand der Eingangsdiagnostik der Station für Drogenentgiftung in Düsseldorf. Polytoxikomanie wird dort bei 90-99% der aufgenommenen Patienten festgestellt.

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2.2 Opiate

Zur Begriffsbestimmung zitiere ich hier das sogenannte Drogenscript der Düsseldorfer Entgiftungsstation.

Es stehen hierzu natürlich unzählige weitere Quellen zur Verfügung.

2.2.1 Substanzbeschreibung

Opiate:

„Opiate gehören zur Gruppe der narkotischen Analgetika. Da zu zählen natürliche, halb- oder vollsynthetische Substanzen auf der Basis des Morphins. Alle verursachen eine psychische und auch körperliche Abhängigkeit.

Morphium

Morphium ist das Hauptalkaloid des Opiums, welches aus dem eingetrockneten Milchsaft der unreifen Samenkapseln des Schlafmohns ( Papaver Somniferum ) gewonnen wird. Die Rauschwirkung des Opiums ist seit ca. 6000 Jahren bekannt, 1803 wurde Morphium erstmalig aus Opium isoliert. Durch entsprechende chemische Veränderungen können bestimmte Wirkungen des Morphiums verändert werden, so seine analgetische Wirkung wie aber auch die Suchtpotenz. Unter anderem können so auch dem Morphin entgegengesetzte aIso antagonistische Wirkungen erreicht werden.

Heroin:

Chemisch:Diacetylmorphin(Diamorphin), nicht verkehrsfähiges BTM . Heroin ist ein halbsynthetisches Morphinderivat, es ist sechsmal wirksamer als Morphin und gut fettlöslich, das heißt, es dringt rasch in das zentrale Nervensystem ein. Je nach Aufbereitung, Herkunft und Anteil des reinen Heroins unterscheidet man die Heroine Nr. 1 bis Nr. 4 . Alle Heroinarten enthalten Verunreinigungen aus der Herstellung bzw. Zersetzungsprodukte. Der Reinheitsgrad kann zwischen 10 und 95 Grad schwanken. Verschnittstoffe sind Milchpulver, Zucker, Traubenzucker, Vitamin C, Strychnin, Colchicin, Mehl oder Talg.(Anmerkung des Script-Autors: auch die Beigabe von Gips, Putz , Zement oder Rouge ist bekannt) Das Pulver wird meist unsteril aufbewahrt und unsteril injiziert.

Die Unkenntnis des Verdünnungsgrades ist häufigste Ursache einer Überdosis, ebenso kann nach längerer Drogenabstinenz eine vorab gewöhnte Dosis als Überdosis wirken, weil die ToIeranzschwelle wieder herabgesetzt wurde.In Deutschland unterliegt Heroin der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BTM-VV) und ist in der Gruppe der nichtverschreibungsfähigen und nicht verkehrsfähigen Substanzen aufgeführt. Es befindet sich nur auf dem illegalen Markt, wird aus dem Milchsaft des Opium gewonnen, Hauptalkaloid ist das Morphin (siehe vorne)“

Dr.Burtscheidt, Dr. Hartmann, Dr. Gerwig: Drogenscript der Station 13 E, Landschaftsverband Rheinland, 1995 (für internen Gebrauch), Seite 1 ff.

Der Vollständigkeitshalber seien noch die anderen im Script genannten Produkte genannt:

Halbsynthetische Morphine:

Hydromorphon (Dilaudid®) 7-fach stärker analgesierend (Schmerzbetäubend) wie Morphium

Levorphanol (Dromoran®) 10-fach stärker analgesierend wie Morphium

Synthetische Morphindevirate:

Pethidin (Dolantin®)

Tilidin (Valoron®/Valoron-N®)Hinweis: Valoron-N erzeugt bei heroinabhängigen Personen Entzugssymtome.

Methadone:

Levomethadon (L-Polamidon®) dazu später mehr

Diphenoxylat (Reasec®)

Loperamid (Imodium®) wenigsten letzteres ist allgemein als Mittel gegen Durchfall bekannt.

Pentazozin (Fortral®) ein aus eigener Erfahrung eher rabiat wirkendes klinisches Schmerzmittel.

Fentanyle:

Antitussiva (z.B.:Codein) Codein ist ein beliebter Zusatz zu Hustenmedikamenten.

Morphiumantagonisten:

Naloxon (Narcanti®) Das Wundermittel des Notarztes bei Heroin-Überdosis. Wird auch als Mittel für die Entgiftung unter Narkose verwendet („Turbo-Entzug“).

Wirkungscharakter und Stoffwechsel:

„Intravenös oder subkutan appliziertes Heroin erreicht schnell das Gehirn und wirkt für ca. 3-5 Stunden. Es wird dort schnell zu Morphin abgebaut, dieses wird dann in der Leber verstoffwechselt und 90% davon über die Nieren ausgeschieden. Heroin geht bei Schwangeren über die Plazenta auf den Feten über und über die Muttermilch auch auf den Säugling. Heroin hat eine stärkere, rascher eintretende und länger anhaltende analgetische und euphorisierende Wirkung als Morphin, es wirkt weniger sedierend. Heroin

bindet wie alle übrigen Opiate an den spezifischen Opiatrezeptoren (siehe unten), die sich in bestimmten Anteilen des zentralen Nervensystems ( Limbisches System, Thalamus, Hypothalamus, Mittelhirn und Rückenmark) in hoher Dichte befinden. Es werden die Freisetzung bestimmter Neurotransmitter vermindert und die Impulsübertragung im ZNS generell gehemmt.“


Dr.Burtscheidt, Dr. Hartmann, Dr. Gerwig: Drogenscript der Station 13 E, Landschaftsverband Rheinland, 1995 (für internen Gebrauch), Seite 2 (Abbildung), Seite 7

Erläuterung des Referenten: Der Schmerzimpuls wird von der afferenten C-Faser in Richtung des Spinothalamus weitergereicht. Die Stärke des Impulses wird durch den Transport von Neurotransmittern oder vergleichbarer Substanzen durch den synaptischen Spalt zwischen den hemmenden Interneuronen und den Rezeptoren der C-Fasern moduliert. Transistoren zeigen ein ähnliches Funktionsschema.

„...Heroin wirkt somit analgetisch, hypnotisch, narkotisch, atemdepressiv, antitussiv (Husten verhindernd, der Referent) und antiemetisch (Hemmung des Brechzentrums als Späteffekt). Es führt zu einer Tonuserhöhung an der glatten Muskulatur der inneren Organe, vor allem im Magen-Darm-Trakt.

Akute Heroinintoxikation :

Bei erhaltenen Sinneswahrnehmungen bestehen Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit, Euphorie, Sedierung, Analgesie, Miosis ( Engstellung der Pupillen), Bradykardie (Verlangsamung der Herzfrequenz) sowie verlangsamte Atmung (2-4 Atemzüge pro Minute ) übergehend in totale Atemlähmung. Möglich sind auch tonisch-klonische epileptische Anfälle, unterdrückte Darmtätigkeit, Übelkeit, Erbrechen. In 60% kommt es zu einem Hirnödem (Wassereinlagerung in das Hirngewebe) mit Kopfschmerzen, Schläfrigkeit,(und/oder) Desorientiertheit.

Entzugssymptome der Opiate:

Durchfall, Erbrechen und Übelkeit, Anfälle von Schwitzen, Frösteln.Es entstehen Blutdruckkrisen, Tränen laufen, ein gesteigerter Atemantrieb. Es kommt zu Muskelschmerzen besonders in Armen und Beinen sowie in der Muskulatur des Rumpfes.(...) Blasen- und Darmkrämpfe (!!, der Referent), Reizbarkeit sowie Schlaflosigkeit (über mehrere Tage, der Referent).“

Dr.Burtscheidt, Dr. Hartmann, Dr. Gerwig: Drogenscript der Station 13 E, Landschaftsverband Rheinland, 1995 (für internen Gebrauch), Seite 8

Typische Merkmale der Opiateinahme:

Unabhängig von der Vorstellung der abhängigen Opiateinahme zum Zweck der Vermeidung von Entzugssymptomen und der Herstellung eines „normalen“ Zustandes bewirkt Heroin darüber hinaus eine emotionale Stabilisierung auf niedrigem Niveau. Angsteinflösende Gefühlszustände lassen sich auch bei Dauerkonsum unterdrücken, wenn auch um den Preis des Verlustes auch positiv empfundener Emotionen. Gleichzeitig sind auch (aufgrund der tiefgreifenden Analgesierung) Störungen der Körperwahrnehmung und des Körperbildes (der Selbstvorstellung des eigenen Körpers) zu beobachten: Der User schmeckt nichts, riecht nichts und bemerkt nur anhand von Widerständen, wo sein Körper aufhört und seine Umwelt psysisch anfängt. Auch der langjährige User erscheint unter Drogeneinfluß ruhig, analgesiert und bezüglich seiener emotionalen Lage wenig „schwingungsfähig“.Als problematisch ist die Toleranzbildung zu sehen. Der User kann sich in recht kurzer Zeit an die Einnahme von bis zu 0,5 gr. Heroin (100%'er Reinheitsgrad entspricht ca. 5 gr. „Straßenheroin“ gewöhnen. Sein Mittelhirn-Rückenmarks-System wird aber keine weitere Steigung tolerieren, so daß ab einer weiteren Steigerung der „goldene Schuß“, das heißt der Tod durch Überdosis droht. Andererseits bildet sich (wie bei allen Abhängigkeiten) eine sogenannte Minderung der Frustationstoleranz heraus. Der Abhängige neigt dazu (wie durch seine Abhängigkeit erlernt), unangenehme Daseinszustände unmittelbar „wegzudrücken“ und verlernt dabei, diese zu ertragen, bis er sie gelöst hat. Dies erleichtert nicht gerade den Entzug vom Heroin als Mittel, um sich vom Heroin zulösen.

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2.3 Stimulantien

2.3.1 Cocain

Cocainabhängigkeit ist ein schon lange bekanntes Phänomen, welches auch ausreichend beschrieben wurde. Da es über lange Zeit recht teuer war, hatte das Cocain den Ruf, die Droge der gehobenen Schichten zu sein. Erst in neuerer Zeit ist ein Preisverfall zu beobachten, so das es sich nun neben dem Heroin einen festen Platz in der Drogenszene behauptet.

„Cocain ist ein Psychostimulanz und leitet sich chemisch wie Atropin vom Tropin ab. Es wird aus einem Extrakt aus den Blättern des Coca-Strauches gewonnen und ist ein farb- und geruchloses, transparentes kristallines Puder mit bitterem Geschmack. Cocain hat lokal anästhetische Wirkung und wird in diesem Sinne am Auge und zur Schleimhautanästhesie eingesetzt. Als Rauschmittel wird es subkutan oder intravenös gespritzt oder nasal aufgenommen.

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2.3.1.1 Wirkungscharakter und Stoffwechsel:

Cocain wird subkutan oder von den Schleimhäuten leicht resorbiert, jedoch dieses langsam, da es eine Vasokonstriktion (Verengung der Gefäße) bewirkt. Es blockiert die Rückresorption von Noradrenalin aus dem synaptischen Spalt, wodurch die Konzentration an Katecholaminen (sympathische Transmitter) im synaptischen Spalt erhöht ist.Als Folge treten Vasokonstriktion und Tachykardie (Beschleunigung der Herzfrequenz) ein. Cocain wird vornehmlich in der Leber metabolisiert und im Urin ausgeschieden.

Die Hauptwirkung auf das ZNS ist stimulierend, dadurch kommt es zu verstärkter Wachheit, Euphorie und einem Gefühl psychischer und physischer Stärke. Es senkt die Krampfschwelle des ZNS, das heißt, epileptische Anfälle können getriggert (=ausgelöst;der Referent) werden.

In seinen Wirkungen vermittelt Cocain das Gefühl der körperlichen Leistungsfähigkeit, es vermindert Hunger, Durst, Müdigkeit und Schlaf. Es führt zu angenehmen Wunschbildern, Gedankenreichtum und Ideenflucht, Steigerung der Kontaktfreudigkeit.

Die akute Intoxikation mit Cocain führt zu Tachykardie, Mydriasis (erweiterten Pupillen), Blässe, verstärkte Peristaltik, Anstieg der Körpertemperatur und Lähmung peripherer Nerven sowie Koordinationsstörungen, erhöhten Blutdruck und Atembeschwerden. Psychisch folgen Erregung, Unruhe und Bewegungsdrang,verstärkter Redefluß.

Im Cocainrausch lassen sich drei aufeinander folgende Stadien einteilen. Euphorisches Stadium mit gehobener Stimmung und Antriebssteigerung, Angstabbau und beschleunigten Denkabläufen. Es folgt ein Rauschstadium mit Halluzinationen vor allem akustischer und optischer Art. Im depressiven Stadium kommt es zum Auftreten von Angst und Niedergeschlagenheit, depressiver Verstimmung mit Schuldgefühlen und auch Verfolgungsideen.

Körperliche Folgen des chronischen Gebrauches von Cocain sind Nasen-Schleimhautveränderungen, Leberschäden, Krampfanfälle sowie allgemein körperliche Auszehrung. Bei chronischem Gebrauch (sog. Cocainismus) resultieren Abmagerung, blasse Gesichtsfarbe, Herzschwäche und Ohnmachtsanfälle, Schlaflosigkeit und Abnahme von Gedächtnis und Willenskraft. Auch Gefäßschäden gehören zu den chronischen Folgen in Form von gehäuften Herzinfarkten, Herz-Rhythmus-Störungen und anderen Durchblutungsstörungen wie Schlaganfällen. Cocainmißbrauch schwangerer Frauen verringert deutlich das Geburtsgewicht des Kindes und erhöht die Rate an Todgeburten im Zusammenhang mit Plazenta-Ablösungen und ist auch mit einer gesteigerten Rate von Mißbildungen verbunden.

Im Cocainentzug kommt es zu Angstzuständen, Schlaflosigkeit und Gewichtsabnahme durch Erbrechen und Durchfälle.

Cocain führt zu starker psychischer Abhängigkeit.“

Dr.Burtscheidt, Dr. Hartmann, Dr. Gerwig: Drogenscript der Station 13 E,

Landschaftsverband Rheinland, 1995 (für internen Gebrauch), Seite 26 f.

Typische Merkmale der Cocaineinahme:

Aufgrund der obengenannten euphorischen Antriebssteigerung lassen sich bei längerem Gebrauch eine hohe Toleranzbildung mit gleichzeitig erhöhter Bereitschaft zur Stoffbeschaffung verzeichnen. Tagesdosen im Warenwert von 500,--EUR täglich (=15.000,--EUR pro Monat!) sind dann durchaus möglich und werden berichtet. Die anfänglich stark gesteigerte Leistungsfähigkeit bricht in sich zusammen, da dem Cocainisten die dazu notwendige Konzentrationsfähigkeit abgeht. Dafür steigert sich die Risikobereitschaft z.B. bei der „Stoffbesorgung“, so das solche Suchtkarrieren häufig abrupt durch polizeiliches Eingreifen unterbrochen werden.

Äußerlich bemerkbar sind eine ausgeprägte rastlosigkeit und die Neigung von Gedankenabrissen. Dieser Zustand hält noch Tage nach letztem Konsum noch an. Häufig berichten Usern von der Ausbildung paranoider Verfolgungsideen und dem ansteigen von Gewaltbereitschaft. In extremen Fällen bewaffnen sie sich mit mehreren Messern, Pistolen und ähnlichen, um sich vor möglichen wahnhaft konstruierten Gefahren zu schützen.

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2.3.2 Sonderform „Crack“

Crack wird aus dem getrocknetet Sud von in Backpulver (z.B. Dr. Oetckers)aufgekochten Cocain gebildet. In dieser Mischung kann Cocain inhalativ aufgenommen werden, wobei seine Potenz gesteigert ist. Der Rausch ist dabei deutlich verkürzt. Im Gegensatz zu den USA findet Crack in der BRD so gut wie keinem Absatz, wobei über die Gründe allerdimgs nur spekuliert werden kann.

2.3.3 Politoxikomaner Gebrauch von Heroin und Cocain

Häufig wird Heroin zusammen mit Cocain als sogenannter Cocktail von den Betroffenen injiziert. Bei theoretischer Betrachtung müßte dieses eigentlich unverständlich bleiben, da sich die beiden Hauptwirkungen (Heroin=beruhigend Cocain=belebend) sich eigentlich aufheben. Andererseits ist hierzu zu beachten, das pharmakologisch unterschiedliche Systeme beeinflußt werden, so daß beide Wirkungen durchaus zugleich zum tragen kommen können. „... einen ruhigen Film fahren ... „ war die Beschreibung dessen, wie mir ein Betroffener die Wirkung des Cocktails beschrieb. In der Szene widerum wird dieses Verfahren benutzt, weil es die Wirkung des (doch arg) gestreckten Heroins heraufsetzen soll („Speedball“

Gölz: Der Drogenabhängige Patient, Urban& Schwarzenberg, 1995, Seite 125 bzw. Seite 240

). Bekannt ist dies bei Usern, welche sich in Substitutionsbehandlung befinden. Die dort angestrebte Besetzung von Opiatrezeptoren mit L-Polamidon wird durch die Erhöhung der Stoffwechselrate durch Cocain vorzeitig beendet, so daß das im Blutkreislauf befindliche Heroin den erwünschten „Kick“ nunmehr erzeugen kann.

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2.3.4 „Speed“/Ecstasy

Wie schon vorab erwähnt, scheint dies die in jüngerer Zeit erste etablierte Droge zu sein, bei der ein Drogenmißbrauchs-Bewußtsein fehlt. Ihre Verbreitung in Diskotheken und auf Partys ist sprichwörtlich, sie bildet sozusagen die Ergänzung zur Techno-Musik. Da eine körperliche Abhängigkeit nicht herausgebildet wird, kann der User die Einahmefrequenz häufig noch selber bestimmen, er nimmt sie eben zum Wochenende.

2.3.4.1 Wirkstoffbeschreibung:

„... Die Substanz mit der chemischen Bezeichnung MDMA (3,4-Methylen-dioxy-methamphetamin) gehört zur KIasse der Phenetylamine, ebenso wie Mescalin und Amphetamine ... MDMA ist ... bereits 1914 von der deutschen Firma Merck aus Metamphetaminen zu einem Appetitzügler synthetisiert worden, damals jedoch nie vermarktet worden. Als Straßendroge tauchte die Substanz erstmalig in den 60er Jahren an der amerikanischen Westküste auf. Aufgrund des zunehmenden Abusus und von Berichten über die Toxizität, insbesondere die Neurotoxizität von MDMA erfolgte am 1.7.1985 in den USA ein Verbot ... In der BRD ist MDMA seit dem 1.8.1986 ebenfalls verboten.

Wirkungsweise :

...Die Wirkung setzt nach 30-60 Minuten ein und besteht zunächst in einer gesteigerten sympathischen Reaktion mit beschleunigter Herzfrequenz, erweiterten Pupillen und Blutdruckanstieg sowie Appetitlosigkeit und Nystagmus. Im weiteren Verl auf treten psychische Effekte auf, es kommt zu einem ausgeprägten Gefühl innerer Ruhe und Entspannung, Ängste und hierdurch bedingte Erinnerungs- und Wahrnehmungshemmungen nehmen ab, verdrängtes Konfliktmaterial und affektiv besetzte Erlebnisinhalte werden bei verbessertem Langzeitgedächtnis bewußt und können mit Zuversicht, leidenschaftslos und angstfrei betrachtet werden. Neurotische Abwehrmechanismen werden verringert, die Fähigkeit zur lntrospektion nimmt erheblich zu. Aufgrund dieser Effekte wurde immer wieder kontrovers diskutiert, ob es sich dabei nicht um mögliche psychotherapeutisch nutzbare Effekte handele; derzeit besteht weltweit eine beschränkte Sonderbewilligung zum psychotherapeutischen Einsatz von MDMA für Mitglieder der „Scnweizerischen Arztegesellschaft für psycholytische Therapie“...Die psychische Wirkung hält für etwa 3-4 Stunden an, häufig begleitet von starkem Schwitzen und verstärktem Harndrang, aIlmählich entwickeln sich körperliche Erschöpfung und erhöhtes Ruhebedürfnis, die psychischen Effekte sind in der Regel noch mehrere Tage in absteigender Intensität wirksam....“

Dr.Burtscheidt, Dr. Hartmann, Dr. Gerwig: Drogenscript der Station 13 E, Landschaftsverband Rheinland, 1995 (für internen Gebrauch), Seite 38 f.

Die obengenannten psychischen Effekte beziehen sich auf medizinische Untersuchungen, nicht auf Langzeitstudien. Diese gibt es zu dieser Substanz in dieser Form nicht (ethische Bedenken aufgrund Neurotoxidität). Mögliche Langzeitfolgen zeigen sich aber langsam im Kollektiv der User.

Toxidität,Lethalität:

„Entscheidend für das Verbot von MDMA waren tierexperimentelle Befunde, wobei Nervenzelluntergänge im System des Neurotransmitters Serotonin beschrieben urden. Bereits 1985 und 1987, später auch 1992 war über mit MDMA assoziierte Todesfälle berichtet worden. In allen Einzelfällen waren hochfebrile Zustände, Krampfanfälle und Rhabdomyolyse ( Zerstörung größerer Muskelmassen ) mit nachfolgendem akutem Nierenversagen vorausgegangen. Die betroffenen Personen hatten die Substanz zumeist auf Parties oder in Discos eingenommen; offenbar wurde die erhöhte Körpertemperatur weiterhin durch körperliche Bewegung gesteigert und führte bei mangelnder FIüssigkeitszufuhr zu Dehydratation (Verarmung des Wasserhaushaltes) mit daraus resultierenden tödlichen Komplikationen.“

Dr.Burtscheidt, Dr. Hartmann, Dr. Gerwig: Drogenscript der Station 13 E, Landschaftsverband Rheinland, 1995 (für internen Gebrauch), Seite 39

Weitere Folgen:

Darüberhinaus mehrten sich Berichte über psychotische Dekompensationen nach MDMA und Auftreten sog. Panikattacken .

ebendort, Seite 39

Wie Eingangs erwähnt, gibt es ein Heroinkonsummuster, welches darauf abziehlt, die nachwirkenden psychischen Effekte sowie die Dekompensationserscheinungen abzudämpfen. Angesichts der massenhaften Verbreitung von Exctasy (geschätzt bis zu 30% eines Jahrgangs in der Gruppe der Jugendlichen)bedeutet dies für die Zukunft, das sich der Konsum von Heroin und damit assoziierter Drogen (Polytoxikomanie) zu einem Massenphänomen herausbilden kann.

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3. Der „Beigebrauch“

3.1 „Pillen“

In der (polytoxikomanen) Szene werden zusätzlich zu den oben beschriebenen illegalen Drogen auch Substanzen gehandelt und gebraucht, welche nicht unter das BtmG fallen. Diesen Substanzen wohnt ein eigenes Suchtpotential inne, welches andernortes ausreichend beschrieben ist. Hier werden diese Substanzen nur daraufhin betrachtet, welche Bedeutung sie für Konsumenten illegaler Drogen haben. Wie die Generalüberschrift dieses Abschnittes schon andeutet, werden sie häufig zusätzlich zu illegalen Drogen gebraucht, wobei bei einigen Nutzern die Einahme dieser Stoffe überwiegt.

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3.1.1 Benzodiazepine

Auf dem „Markt“ für illegale Drogen werden zusätzlich zwei bestimmte Benzodiazepine gehandelt, welche von einigen Ärzten recht freizügig rezeptiert werden und so diesem „Markt“ in ausreichender Menge zu Verfügung stehen.

Dabei handelt es sich um die Medikamente Valium® (Wirkstoff= Diazepam) und Rohypnol® (Wirkstoff= Flunitrazepam). Letzteres hat gegenüber Valium eine deutlich stärkere Wirkung (ca. 7-fach) und ist deshalb z.B. in den Vereinigten Staaten nicht verkehrsfähig.

Quelle: RTL-Extra vom 23.11.1998, TV-Bericht über die Verwendung von Flunitrazepam als „KO-Tropfen“

3.1.1.1 Substanzbeschreibung:

Benzodiazepine werden wie auch Barbiturate der Gruppe der Psychosedativa bzw. der Tranquilizer zugeordnet. Ihr Hauptwirkungsspektrum ist der unteren Abbildung entnehmen.


Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, de Gruyter, 1986, Seite 1383, Stichwort: Psychopharmaka

Typische Merkmale der Benzdiazepingebrauches:

Auffallend ist hier die deutlich erhöhte Toleranz, welche zu massiven Einahmen (20-Fache der therapeutischen Dosis) von Benzodiazepinen führen. In diesen Intoxikationszuständen werden unsinnige Handlungsweisen und persöhnlichkeitsfremde aggressive Impulse beschrieben

Gölz: Der Drogenabhängige Patient, Urban& Schwarzenberg, 1995, Seite 125, Seite 242

, andererseits ist auffällig, das Eigen- und Fremdwahrnehmung deutlich auseinanderklaffen. Im allgemeinen sind die Betroffenen in ihren Handlungen und ihrer Sprache deutlich verlangsamt und neigen dazu, in jeder möglichen Körperhaltung einzuschlafen, was ein eigenes Verletzungsrisiko bedeutet (Verbrennungen durch liegen an Heizkörpern, Fallhand durch Druckschädigung der Armnerven). In der Szene werden die Personen, welche ihren Gebrauchsschwerpunkt auf Benzodiazepine legen, öfters als „LaLa's“ bezeichnet. Hierzu als Beispiel ein Interview mit einem Patienten, welcher sich in eine Entgiftungsbehandlung begeben hatte. Mit „Klinik“ ist in diesem Fall nicht die Rheinische Klinik Düsseldorf gemeint.

„ Der 27 Jahre Mann begibt sich am Donnerstag in die Klinik zur Entgiftungsbehandlung. Er ist ein sozial weitgehend abgerutschter „Junkie“, der nur noch gelegentlich Heroin konsumiert. Im Laufe des Gespräches gibt er zu, die Klinik am Montag vorzeitig verlassen zu wollen. Zum einem, um Geld beim Sozialamt abzuholen, zum anderen, um einen der beiden ihn ständig mit Medikamenten versorgenden Ärzte aufzusuchen. Es ist sein „Lexo-Tag“, an dem er den Arzt aufsuchen kann, der Ihm alle vierzehn Tage 20 Lexotanil-Tabletten verschreibt. Diese nimmt er grundsätzlich auf einmal ein. Daraufhin passieren häufig „unheimliche Sachen“. Er gerät in Streit mit der Polizei, oder er muß zur Notfallbehandlung ins Krankenhaus gebracht werden.“

Prof. Dr. Kreutzer: „Den Teufel mit dem Beelzebub austrteiben?“, Artikel in der FAZ vom 2.9.1999, Seite 11/12

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3.1.2 Polytoxikomaner Gebrauch von Tranqilizern:

Zum einen führt die angstlösend-relaxierende Wirkung der Tranquilizern dazu, das Entzugssymptome teilweise erträglich gehalten werden, teilweise sogar unterdrückt werden. In diesem Sinne ist die Verwendung als Heroinersatzmittel zu erklären. Andererseits wird Flunitrazepam auch als „Streckmittel“ zur Wirkungsverbesserung geringradig dosierter Heroin-Chargen verwendet. Dieses Verfahren ist wie auch die direkte intravenöse Verwendung äußerst risikoreich, da die mehrheitlich verschrieben Benzodiazepine aufgelöst zu Embolien bei i.v.-Mißbrauch, mithin zum Tod des Users führen.

Entzugsrisiken bei hochtoleranter Verwendung:

Hier stehen an erster Stelle epileptische Krampfanfälle, welche durch ihre Häufigkeit in ununterbrochener Folge („Status“) in Folge zum Tod führen können. Desweiteren können delirante Erscheinungen auftreten sowie Kreislaufregulationsstörungen.

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3.1.3 Barbiturate

Diese sind ( in der Praxis der Anwendung) die Vorläufer der Benzodiazepine. Im Wirkspektrum sind sie den Benzodiazepinen vergleichbar, in ihrer toxikologischen Bedeutung allerdings wesentlich gefährlicher. Heute werden sie kaum noch rezeptiert, ihre Bedeutung für den „Markt“ der Drogenkonsumenten schwindet. Vielen heutigen Usern ist die Existenz der Barbiturate schlicht unbekannt.

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4. Polytoxikomanie

4.1 Eine statistische Stichprobe

Um sich ein Bild zu machen von den heutigen Lebensverhältnissen von Drogenkonsumenten, bietet es sich an, diejenigen zu betrachten, welche entsprechenden Befragungen zur Verfügun stehen. Die Orte der Befragung könne natürlich unterschiedliche sein. Im vorliegenden Fall habe ich 22 Akten von Patienten der Station 13 E (Drogenentgiftung) eingesehen. Auswahlkriterium war alleinig die Verfügbarkeit dieser Akten. Die daraus gewonnenen Daten sind zwar nicht repräsentativ (einmalige Zufallserhebung) dafür aber doch erhellend. Meiner persönlichen Erfahrung nach sind sie außerdem nicht allzusehr von der täglichen Praxis entfernt.

Hinweis: Die sogenannten Basisdaten lagen nur von 21 Patienten vor, sonst beziehen sich die Angaben auf 22 Patienten, von denen einer Kokainist war.

Abbildung: Lebensalter bei erstmaligen Drogengebrauch ( Alkohol: suchtähnlicher Gebrauch )

Einstiegsalter 10-15 16-18 19-22 23-25 >25
Heroin 3 4 9 3 3
Kokain 2 2 9 5 3
Benzod. 1 2 4 4 1
Amphetamine. 2 3 8    
LSD   5 5 1  
Cannabis 11 9 1 1  
Alkohol 3 4   1  

Abbildung: Dauer des Drogengebrauchs, teilweise bis zum Antritt der Entgiftung, teilweise auch vorher beendet.

Konsumdauer <1Jahr 1-3 Jahre 3-5 Jahre 5-10 Jahre >10 Jahre z.ZT.
             
Heroin 1 4 6 9 5 21
Kokain   6 4 9 2 18
Benzod. 1 2 5 3 1 8
Amph. 6 3 3   1 1
LSD 6 3 1 1    
Cannabis   2 1 8 6 14
Alkohol   1 1   6 6

Gesamtzahl: 22

Eigene Auswertung von 22 Krankengeschichten, verfügbar am 6.11.1998 auf Station 13 E, Rheinische Kliniken Düsseldorf

Abbildung: (soziologische) Basisdokumentation („Ba-Do“), wie von der Klinik erfasst ( außer: Gesundheit )

Basisdaten
Alter: 18-21 22-25 26-28 29-31 32-41 42-52
  7 2 7 3 2 2
 
Wohnsituation Eig.Whng. Familie WG Not ofW  
  4 13 2 1 1
 
Schulabschluß keinen HS MR Abitur  
  5 13 3 0
 
Berufl Abschluß keinen Lehre Hochschule

  15 6 0
 
Arbeitssituation Arbeit ohne Ausbildung  
  0 20 1
 
Einkommen Ausbildung AL-Geld AL-Hilfe BSHG Eltern unklar
  1 7 3 5 3 2
 
Gesundheit  
Hepatitis A B C HIV  
  8 8 11 0

Gesamtanzahl = 21

ebendort; Basisdokumentation

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4.2 Eine Interpretation

Eine Interpretation unterliegt (wie so häufig) auch hier systematischen Einschränkungen. Die Angaben beruhen auf Selbstauskünften der Betroffenen und unterliegen ihren Selbsteinschätzungen. Befragt wurde ihr Konsumverhalten bzw. wieweit dieses Konsumverhalten ihrer Einschätzung nach nicht mehr „Normgerecht“ war. Objektivierbar war letztendlich nur, welche Drogen zum Zeitpunkt der Befragung konsumiert wurden (Kontrolle sogenannter Suchturine). Hierbei ergaben sich aber keine Abweichungen von den Ausssagen der betroffenen Personen, sodas davon ausgegangen werden kann, das die Aussagen zum Drogenkonsum im allgemeinem zutreffend waren. Wenn man die Selbstauskünfte nach dem Einstiegsalter in bestimmten Drogenkonsum betrachtet, so fällt doch auf, das die befragten Personen überwiegend schon in recht früher Zeit (10.-15. Lebensjahr) Cannabis konsumierten und diesen Konsum zu über 50% auch beibehielten. Dies mag auf den ersten Blick insoweit ungewöhnlich erscheinen, als Cannabis eine doch geringere psychotrope Wirkung zeigt wie Heroin. Folgende Erklärungsmodelle bieten sich hier an:

a) Cannabis wird häufig als Einschlafhilfe verwendet oder

b) dem Cannabis-Konsum kommt die Rolle eines Rituals zu, welches sich verfestigt hat.

Abbildung: Einstiegsalter Cannabis:


Alter: 10-15 Anzahl: 11 Alter: 23-25 Anzahl: 1 Alter:19-22 Anzahl: 1 Alter 16-18 Anzahl: 9

Allgemein soll hier nicht die Frage von Cannabis als sogenannte Einstiegsdroge diskutiert werden, sondern nur, welche Bedeutung es in den einzelnen Sucht-Biographien einnimmt. Wenn man nunmehr die weitere Entwicklung der Biographien betrachten, so wird deutlich, das nach einer gewissen Zeit es zum Konsum vielfältigster Drogen kommt, wobei manche Drogen nach kurzem Gebrauch wieder aufgegeben werden. Hierzu zählen vor allen diejenigen Drogen, welche außerhalb der Szene und damit außerhalb des Lebensumfeldes, welches für die Konsumenten an Bedeutung gewinnt, gehandelt werden. Konkret ist hier die Rede von den sogenannten Disco- oder Partydrogen: Amphetaminen (Speed, Ectasy) und dem Halluzinogen LSD.

Andererseits besteht hier auch ein für die zukünftige Entwicklung bedeutsamer Zusammenhang, da Heroin auch dazu eingesetzt wird, um die „Kraft“ von Ectasy auszubremsen.

Mit dem Scheitern an gesellschaftlichen Leistungskriterien (Schul-/Berufsausbildung) und dem damit verbundenen Abstieg in die Unterschichten der Gesellschaft, (Unfähigkeit, ein selbstbestimmtes Leben erfolgreich zu führen ->siehe Wohnungssituation) erscheint der Gebrauch von Heroin und Kokain immer attraktiver.


Abb: Einstiegsalter bei Heroin und Kokain

Die oben getroffenen Vermutungen mögen zwar recht gewagt erscheinen, doch ist unverkennbar, das das Scheitern persönlicher Lebensentwürfe altersmäßig mit dem Konsum von Heroin/Kokain korrelliert.


Abbildung: Darstellung der gesellschaftlichen Eckdaten

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5. Begleiterkrankungen/Begleitende psychische Auffäligkeiten

5.1 Deliquentes Verhalten und Sucht

Ein Ansatzpunkt für die sogenannte Subtitutionsbehandlung Abhängiger war die Vorstellung, das so die Betroffenen von einer durch die Abhängigkeit bedingten Kriminalisierung ( Kosum als straffälliges Verhalten / Beschaffungskriminalität ) befreit werden könnten. Dies mag in vielen Fällen auch zutreffen. Nunmehr wird allerdings von seiten der Forschungsrichtung Kriminologie die dahinterliegende Grundanahme ( Sucht als Auslöser eines kriminellen Verhaltensmusters ) bezweifelt und statt dessen eine Hypothese des abweichenden Verhaltens postuliert, welche ich hier kurz vorstellen möchte.

Kernaussage dieser Hypothese ist die Aussage, das viele der Abhängigen schon vor und begleitend zu ihrer Sucht durch eine verfestigte Kriminalität auffallen. Sucht sei demzufolge eine weitere Form deliquenten Verhaltens. Mögliche Ursachen seien beispielsweise das ausagieren von kindlichen Gewalterfahrungen (Täter als frühere Opfer). Ebenso wird auf eine Parallelität hingewiesen, welche jeweils ausreichend beobachtet wurde: Die Jugendkriminologie hat beobachtet, daß häufig im Alter von 25-30 Jahren eine Abkehr von vorher bestehenden „kriminellen Karrieren“ stattfindet sowie auch der Versuch, sich von entsprechenden Milieus zu lösen. Ebenso kann von Seite der forschenden Beobachtung Abhängiger bestätigt werden, das mehr als die Hälfte der Abhängigen mit steigendem Alter und unabhängig von staatlicher Intervention aus der Lebenswelt des Drogenmilieus „herauswächst“. Dieser Prozeß wird in der Regel spätestens mit dem vierten Lebensjahrzent abgeschlossen. Gestützt wurde die obengenannte Hypothese durch eine Untersuchung an einer Gruppe Abhängiger, welche sich 1990 in hessischen Haft- und Therapieeinrichtungen befanden. Diese wiesen zu 65% schon vor dem Heroinkonsum eine schon verfestigte Deliquenzentwicklung auf.

Prof. Dr. Kreutzer: „Den Teufel mit dem Beelzebub austrteiben?“, Artikel in der FAZ vom 2.9.1999, Seite 11/12

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5.2 Psychische Störungen und Drogengebrauch

Unabhängig von der Diskussion der Abhängigkeit als psychische Störung kann man in der Praxis feststellen, das einige Drogenabhägige unabhängig davon ein aufälliges Verhalten zeigen.Hierzu ist die Datenlage aber nicht sehr ausgestaltet. Hilfreich hierzu ist aber das Studium des Auswertungsberichtes der NRW-Landesregierung zum Subtitutions-Erprobungsvorhaben 1988-1992. Zusammenfassend führt er aus, das ca. 70% der Teilnehmer am Erprobungsverfahren eine oder mehrere psychische Störungen aufwiesen. Bei ca. 50% der Teilnehmer waren diese Störungen so ausgeprägt, das sie als

behandlungsbedürftig engeschätzt wurden.

Diese Aussagen sind erstmal noch sehr allgemein und müßen spezifiziert werden. Als psychische Störung wurden beschrieben:

-narzistische Persöhnlichkeitsstörungen

-dysthyme (depressive) Störungen.


Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW, Medikamentengestützte Rehabilitation bei i.v. Opiatabhängigen, 1993, Seite 83

„Die weitaus am häufigsten diagnostizierten psychischen Erkrankungen waren Persönlichkeitsstörungen. Zwar wird das Konstrukt „Persönlichkeitsstörung“ in der Psychiatrie immer wieder diskutiert ... Persönlichkeitsstörungen im engen Sinne des DSM-III-R sind allerdings fest umschriebene, exakt operationalisierte psychiatrische Krankheitsbilder, die zwei wesentliche Hauptmerkmale aufweisen:

Erstens werden sie nur dann diagnostiziert, wenn Persönlichkeitszüge unflexibel und wenig angepaßt sind und zu subjektiven Bescnwerden oder zu einer wesentlichen Beeinträchtigung in der sozialen Anpassung oder in der beruflicnen Leistungsfähigkeit führen.

Zweitens wird von Persönlichkeitsstörungen nur dann gesprochen, wenn diese bereits in der Adoleszenz oder noch früher beginnen und während des größten Teils des Erwacnsenenlebens fortbestehen....

Am haufigsten fanden sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einer narzißtischen ... Persönlichkeitsstörung. Dabei handelt es sich um in ihrer psychischen Entwicklung und Grundstruktur früh und besonders tiefgreifend gestörte Personen.Menschen mit einer narzißtischen Persönlichkeitsstörung zeichnen sich durch ein sehr instabiles Selbstwertgefühl mit einem Wechsel zwischen Selbstüberschätzung und dem Gefühl besonderer Wertlosigkeit, durch einen Mangel an Einfühlungsvermögen und durch eine Überempfindlichkeit gegenüber der Einschätzung durch andere (erhöhte Kränkbarkeit) aus.

...Bei den affektiven Störungen (Störungen der Stimmung) handelte es sich vornehmlich um Dysthyme Störungen. Ihr Hauptmerkmal ist eine chronische depressive Verstimmung...“

ebendort, Seite 85

Weiter wurde im Abschlußbericht ausgeführt, das die Art der Störung Einfluß auf das Drogen-Konsum-Muster genommen hatte:

Bei einer Reihe von Teilnehmerinnen und Teilnehmern konnte der Mißbrauch psychotroper Substanzen als unzulänglicher Versuch einer „Selbsttherapie“ psychischer Erkrankungen aufgefaßt werden. „So ließ sicn retrospektiv nachweisen, daß bei vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit einer dysthymen Störung Drogen zur Kupierung (=Besserung;der Autor) der depressiven Verstimmung ...eingenommen wurden. Auch bei vielen Persönlichkeitsstörungen war ... nachvollziehbar, daß Drogen eingenommen wurden, um krankheitsbedingte Symptome zu lindern, vor allem depressive Verstimmungen, aggressive lmpulse, innere Spannungen, ein „Gefühl der inneren Leere“ oder ein quälendes subjektives Erleben eigener Unzulänglichkeit, Orientierungslosigkeit und Wertlosigkeit.“

Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW, Medikamentengestützte Rehabilitation bei i.v. Opiatabhängigen, 1993, Seite 87

Nun kann eingewendet werden, daß die damals untersuchte Gruppe nicht repräsentativ für das Kollektiv der User genommen werden könnte. Immerhin handelte es sich damals um sogenannte „Langzeit-Abhängige“, welche eine Art „Therapieresistenz“ aufweisen mußten. Allerdings zeigt ein Vergleich mit den bereits zuvor vorgestellten 22 Patienten, welche sich einer Entgiftungsbehandlung unterzogen, daß dort immerhin 10 Personen im Sinne einer beobachtbaren Persöhnlichkeitsstörung Auffälligkeiten aufwiesen (je 5 in narzistischer bzw dysthymer Weise).

Eigene Auswertung von 22 Krankengeschichten, verfügbar am 6.11.1998 auf Station 13 E, Rheinische Kliniken Düsseldorf sowie eigene Beobachtung

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5.3 HIV/AIDS

Hier wird nunmehr ein neues Kürzel in die Diskussion eingebracht (=HIV), welches andeutet, das es ein Fixum bedeutet, sich mit dem HI-Virus infiziert zu haben, ohne deshalb an der Folgekrankheit AIDS zu leiden. Da die Krankheit AIDS bei ihren erstmaligen Auftreten zu Recht als neuartige Bedrohung der Volksgesundheit gesehen wurde, trat als Reaktion darauf eine sozialmedizinische Wende im Umgang mit Drogenabhängigen ein (-> harm reduction), da Drogenabhängige als eine der „Risikogruppen“ nunmehr eine tödliche Bedrohung der Gesamtbevölkerung darstellten, welche mit den alten (repressiven) Ansetzen des Umgangs nicht abgewehrt werden konnte. Als bekannteste Maßnahme gilt hier der „Spritzenautomat“, da so versucht wurde (mit gewissem Erfolg, der Referent), den primären Übertragungsweg dieser Erkrankung unter Drogenabhängigen zu unterbrechen.

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5.3.1 Definition der HIV-Infektion/ AIDS-Erkrankung:

Hierzu verweise ich auf die unzähligen Quellen auch populärer Art zu dem Thema. Es handelt sich hier um eine virale Infektionserkrankung, welche durch sexuelle Kontakte und primär durch Blutkontakte übertragen wird. Nach Eindringen einer Mindestanzahl von Viren befallen sie die CD4-Zellen des Immunsystems und zeichnen sich bei ihrer Vermehrung durch eine hohe Mutationsrate aus. Eine Heilung findet nicht statt. Während früher die Lethalität letztendlich bei 100% lag (50% der Patienten starben an der Erkrankung / 50% der Patienten starben an den Nebenwirkungen der Behandlung), so ist es heute durch eine Kombinationstherapie mit verschiedenen virenhemmenden Medikamenten möglich, das fortschreiten der Infektion zu hemmen. Im Extremfall ist heute eine sogenannte „Serokonversion“ möglich, das heißt, das im Blut der behandelten Person keinerlei HI-Viren nachweisbar sind. Diese Personen sind aber nicht geheilt, da sich das Virenreservoir auf bestimmte Zellgruppen reduziert (Neuronen des ZNS/CD4-Zellen der Unterhaut). Um den Krankheitsverlauf einteilen zu können hat das CDC (=

Amerikanisches Seuchen-Bekämpfungzentrum in Atlanta,USA) 1993 folgende Klassifikation veröffentlicht, welche damit internationaler Standart ist.


Gölz: Der Drogenabhängige Patient, Urban& Schwarzenberg, 1995, Seite 125, Seite 334

Verbreitung unter Drogenabhängigen:

Anfang der 90'er Jahre waren Drogenabhängige (neben Homosexuellen und Angehörigen medizinischer Berufe) eine der Risikogruppen für HIV/AIDS. Damals waren 30%-60% der Drogenabhängigen infiziert und drohten, über Prostitution auch die restliche Bevölkerung anzustecken. Aufgrund eines neuen Umgangs mit dieser Situation (Propagierung der Gefahren von AIDS und seiner Übertragbarkeit, Programme zum Austausch von Spritzen „alt gegen neu“, „Safer Use“) und dem versterbens eines größten Teils der damals Infizierten konnte die Quote der infizierten Drogenabhängigen im Laufe der Zeit doch gehalten bzw. auch gesenkt werden. (z. Zt. dürfte die Quote HIV-infizierter Personen unter den Abhängigen knapp unter 20% liegen)

Verbreitung der HIV-Infektionen in NRW:

Quelle: Pressemitteilung des Gesundheitsministerium NRW, gesehen als Videotextseite des WDR am 27.11.1998

HIV-Infektionen: 12000


Neuerkrankungen: 400 AIDS-verstorben: 2500 AIDS-erkrankt: 1500

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5.4 Hepatitis ( C ) -eine unterschätzte Gefahr

allgemeine Begriffsbestimmung:

Hepatitis ist die Bezeichnung für ein Symptom (Hepatitis=Leberentzündung), welches verschiedene Ursachen haben kann. Ich beschränke mich hier auf diejenigen Hepatitiden, welche durch Infektion durch verschiedene Viren entstehen. Inzwischen existiert zu diesem Thema auch weitergehende Literatur, so das man sich auch unabhängig zu diesem Script informieren kann (Anfang der 90'er Jahre sah das noch anders auch, der von mir genutzte „Pschyrembel;klinisches Wörterbuch“ aus dieser Zeit zeigte sich noch vollständig uninformiert.) Derzeit gesicherte Erkenntnisse liegen über 5 Typen (A/B/C/D/E) der viralen Hepatitis vor, von denen 4 Typen auch in der BRD Verbreitung gefunden haben. Der Typ E ist derzeit noch auf den Ostasiatisch-Sibirischen Raum beschränkt und stellt daher eher ein Risiko für den sogenannten Sextouristen dar.

Virale Hepatiden zeichnen sich durch unterschiedliche Übertragungswege und Risiken aus, gemeinsam ist jedoch die teilweise erschreckend hohe Verbreitung der Hepatitis-Infektionen bei Drogenabhängigen.

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5.4.1 Hepatitis A

Eine virale Erkrankung, welche „fäkal-oral“ übertragen wird. Das heißt, daß das Virus über Ausscheidungen oral aufgenommen wird. Damit ist es ein klassisches Problem der sogenannten 3.Welt, da dort die Trinkwasseraufbereitung aus Abwässern im Regelfall nicht den Standarts der industriellen Welt entspricht. Dort stecken sich auch die meisten Bundesbürger als Touristen an. Als ein weiterer Verbreitungsweg wird die Übertragung über den Blutweg angenommen, welches auch die weite Verbreitung unter den Drogensüchtigen erklärt, welche ja aufgrund ihrer spezifischen Lebensumstände eher selten z.B. Urlaub in Kenia machen. In die „Szene“ eingedrungen dürfte das Virus über Sexualkontakte/Prostitution sein. Verbreitungsrate: Gesamtbevölkerung <1% Drogenabhängige 40%-60%

Symptome: eher diffus und an eine Erkältung mit begleitender „Magen-Darm-Grippe“ erinnernd. Ca. 10% der Erkrankten werden ikterisch, das heißt, das sie eine Gelbfärbung aufgrund des gestörten Leberhaushaltes entwickeln. Diese Gelbfärbung betrifft sowohl die Haut wie auch die Augen.

Risiken: Hepatitis A heilt in der Regel vollständig aus und hinterläßt lebenslangen Schutz. Vorbeugende Schutzimpfung ist möglich.

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5.4.2 Hepatitis B/D

Hier wird das Virus über den Blutweg bzw. über Sexualkontakte übertragen. Hepatitis D ist eine Sonderform, welche nur gleichzeitig mit Hepatitis B auftreten kann, da das D-Virus zur eigenen Vermehrung das B-Virus ( bzw. seine Hülle ) benötigt. Eine kombinierte Infektion ( B+D ) verschlimmert den Erkrankungsverlauf. Dieser Krankheitsverlauf ähnelt von seinen Symptomen den der Hepatitis A, allerdings beträgt die Wahrscheinlichkeit eines Ikteruses 15%-20%.

Risiken: Circa 10% der Erkrankten bilden eine chronische Hepatitis aus, das heißt, das ihre Hepatitis statt auszuheilen fortbesteht. Diese kann zu einem späteren Zeitpunkt ausheilen, wird aber mit höherer Wahrscheinlichkeit zur (tödlichen) Leberzirrhose bzw. zum Lebercarzinom führen. Vorbeugende Schutzimpfung ist möglich.

Verbreitung: Gesamtbevölkerung ca. 5%/0,5% chronisch, bei Drogenabhängigen liegt der Verbreitungsgrad bei 50%-60% bei höherer Wahrscheinlichkeit der Chronizität (bis zu 70% bei kombinierter Hepatitis B/D-Infektion)

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5.4.3 Hepatitis C

Wie schon oben erwähnt,gelang erst recht spät, das heißt Ende der 80'er Jahre die Identifizierung des Hepatitis C-Viruses. Vorher war man dem Risiko einer Infektion schutzlos ausgeliefert. Infektionen erfolgten damals hauptsächlich über (nicht erkennbare) infizierte Bluttransfusionen. Heute ist bekannt, das sich das Virus für seine Übertragung der gleichen Wege wie das Hepatitis B-Virus bedient. Da die Krankheit in ihrer identifizierten Form erst seit ungefähr einem Jahrzehnt beobachtet werden kann, ist die Datenlage v.a. bezüglich Langzeitfolgen noch schwankend. Es wurde jedoch beobachtet, das die Krankheit in sehr vielen Fällen völlig ohne Symptome verläuft, so das sie sich sehr unbemerkt verbreiten kann. Wenn Symptome auftreten, so sind sie in der Regel milder wie bei den vorgenannten Hepatiden, allerdings beträgt die Wahrscheinlichkeit für einen Ikterus bis zu 25%.

Risiko: Die Wahrscheinlichkeit für eine Chronifizierung beträgt (je nach Quelle)50%-80%, die Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Ausganges der Erkrankung liegt entsprechend höher.

Schutzimpfung ist nicht möglich!!

Verbreitung: In der Gesamtbevölkerung nicht bekannt, aber (durch Einschränkung der Übertragungswege (Bluttransfusionen) z.Zt. eher sinkend. In der Drogenszene ist die Verbreitung wesentlich größer, so daß diese als Hauptrisikogruppe Nr. 1 zu sehen ist. Je nach Quellenlage liegt die Verbreitung bei 50%-90% (Auch hier in Düsseldorf beobachtbar), bzw. bei über 90% bei gleichzeitiger HIV-Infektion.


Gölz: Der Drogenabhängige Patient, Urban& Schwarzenberg, 1995, Seite 330, Siehe auch: Basisdaten von 22 Patienten der Station 13E-Drogenentgiftungsstation (Rheinische Kliniken Düsseldorf)

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5.5 Abzeße -ein alltägliches Problem

Es ist einleuchtend, das die wiederholte unsterile Injektion von (sehr) körperfremden Substanzen wie Drogenstreckmitteln sowie direkt gewebeschädlichen Drogen (hier vor allem: Cocain) zu einer Belastung des Immunsystems führen, so das dieses bakteriellen Infektionen gegenüber nur reduziertem Wiederstand entgegensetzen kann. Dies ist auch ein Erklärungsmuster für die häufig zu beobachtenden Abzeßbildungen bei Abhängigen, welche sich ihre Drogen hauptsächlich intravenös zuführen. Diese Abzeßbildungen treten sowohl als direkte Spritzenabzeße auf, welche sich am Injektionsort lokal bilden, wie auch als Unterhautgewebeabzeße fern des Injektionsortes durch unabhängiges Eindringen von Bakterien in die Unterhaut. Dies geschieht zum Beispiel häufig bei Kokain-Beigebrauch, da Kokaingebrauch häufig auch mit einem unstillbaren Juckreiz verbunden ist, dem man mit allen Mitteln (auch Messern!) nachkommt. Seltener sind die (unsichtbaren, dafür aber akut lebensgefährlichen) Organabzeße. Oberflächliche Abzeße führen (wie Hauterkrankungen allgemein) leicht zu einer Stigmatisierung der Betroffenen und bilden einen Teil des gesellschaftlichen Vorstellungsbildes über „Junkies“. Das Abzeße andererseits eine schmerzhafte Behinderung für die betroffene Person darstellen, ist bei Betrachtung entsprechender fotographischer Darstellungen leicht nachvollziebar.

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6. Substituate

Als Substituate werden hier Medikamente bezeichnet, welche in der Praxis rezeptiert werden, um bei heroinabhängigen Personen körperliche Entzugssymptome zu vermeiden. Ziel der Abgabe ist es, den Konsum von Heroin überflüssig zu machen, in dem man dieses durch ein Äquivalent ersetzt, bei dem der Abhängige einer weitergehenden Intervention (z.B.: Therapie) zugänglich bleibt. Auf diese Vorstellung beruhen sowohl substituierende Therapien, wie auch der sogenannte „warme“ Entzug in dafür ausgestatteten stationären Drogenentgiftungseinrichtungen (Klinik!). Aus der obengenannten Zielsetzung heraus ist erkennbar, das nur solche Medikamente in Frage kommen, die den Patienten psychisch nicht (oder nicht wesentlich) beeinflußen.

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6.1 Methadon/L-Polamidon

6.1.1 Substanzbeschreibung

„Methadon ist ein vollsynthetisch hergestelltes Racemat aus rechts- und linksdrehendem 4,4-Diphenyl-6-Dimethylamino-3-Heptanon. Nur die linksdrehende Form ist biologisch wirksam, Levomethadon (=L-Polamidon, der Autor) ist also doppelt so wirksam wie Methadon. Die Substanz besitzt eine hohe enterale Absorption, die Bioverfügbarkeit bei oraler Gabe beträgt 70 bis 95%,... Es findet eine rasche Verteilung im Organismus statt, Methadon tritt in die Muttermilch über und passiert die Plazenta, es wird in Leber, Muskel-, Fettgewebe, Niere, Milz und Lunge mit intensiver Bindung gespeichert, weshalb es zu einem verzögert einsetzenden Entzugssymptom kommt. Der Abbau geschieht durch das Leberenzym Cytochrom P 450. Dies ist bedeutsam für Interaktionen mit anderen Medikamenten. Durch die lange Halbwertszeit (15-60 Std.) im Vergleich zu anderen Opiaten ist Methadon besonders geeignet zur Substitution, da eine einmalige tägliche Einnahme ausreicht. Methadon ist äquianalgetisch dem Morphin, besitzt aber eine sehr viel geringere sedative Wirkung, Aufmerksamkeit, Reaktionszeit und Konzentrationsfähigkeit werden nicht eingeschränkt. Oral verabreicht fehlt dem Methadon eine euphorisierende Wirkung, Der „Heroin-Hunger“ wird ausgezeichnet gedämpft, wegen der großen Affinität zu den Opiat-Rezeptoren ist eine gleichzeitige Heroin-lnjektion wirkungslos...Daher sind Patienten mit einer hohen Dosis Methadon besser gegen die atemdepressiven Gefahren des Beikonsums geschützt, die Toleranz bezüglich der atemdepressiven Wirkung wächst mit der Dosis exponentiell an....“

Gölz: Der Drogenabhängige Patient, Urban& Schwarzenberg, 1995, Seite 275 f.

(Was die doch erstaunlich hohen Dosierungen bei Methadonsubstituierung erklärt, der Referent. Dort sind Dosierungen im einem Äquivalent von 5 gr. „Straßenheroin“ üblich.)

Handelsüblich in der BRD ist alleine das Levo-Polamidon (L-Polamidon®), welches die gereinigte Form des Methadon darstellt. Sofern Methadon verwendet wird, handelt es sich um EG-Import, welches gegenüber dem deutschen Levo-Polamidon doch deutlich billiger ist. Als Medikament zur Substitution hat Methadon bzw. L-Polamidon schon eine lange Tradition:

„Als 1965 Doles und Nyswanders Artikel „Eine medizinische Behandlung für Heroinsüchtige erschien (Dole/Nyswander 1965)

Dole, Nyswander: A medical treatment of diacetylmorphine addiction, Journal Amer. med. Ass. #193, 1965, Seite 146-150

, war Methadon bereits fast 20 Jahre lang als Medikament der ersten Wahl akzeptiert, um Entzugssymptome zu vermeiden (Fraser/Grider 1953)

Fraser, Grider: Treatment of drug addiction, American Journal of Medicine #14, 1953, Seite 571-577

, Das so postulierte Ziel der „Detoxifikation“ mittels Methadon, das keinerlei Versprechen für eine dauernde „Heilung, d.h. für Drogenfreiheit enthielt, war der Grund, warum die Entzugsbehandlung mit Methadon als unerheblich abgetan wurde. Der Entzug mit Methadon wurde allenfalls empfohlen als „... der erste und am wenigsten wichtige Schritt in der Behandlung von Drogensucht... (lsabell/Vogel 1949)

Isabell, Vogel: The addiction liability of methadone and its uses in the treatment of the morphine abstinence syndrom, American Journal for Psychiatry #105, 1949, Seite 909-914

.... Es wurde immer konsequent betont, daß der nicht-medizinische Anteil des Heilverfahrens, die sogenannte Begleittherapie, nicht nur wichtig, sondern unentbehrlich sei....ln der Praxis hat diese Einstellung dazu geführt, auf umfassender psychoszialer Begleitung bei der Methadon-Verschreibung zu bestehen. Dies ist gesetzliche Regelung in den Vereinigten Staaten und in vielen anderen Ländcrn.“

Gölz: Der Drogenabhängige Patient, Urban& Schwarzenberg, 1995, Seite 125, Seite 35

In der BRD gelten hierzu die „Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden“, wie am 16.2.1994 beschlossen (NUB-Richtlinien).

ebendort, Seite 409-412

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